
Neu in der Filmwelt Herne
Sonne und Beton
Berlin-Gropiusstadt im Rekordsommer 2003. Der Radiosprecher verkündet 35 Grad Celsius im Schatten. Im Fernsehen erhält Bundeskanzler Schröder auf dem SPD-Parteitag Rückendeckung für seine Agenda 2000. Weil Lukas (Levy Rico Arcos) seinen Schülerausweis vergessen hat, lässt ihn die Security nicht aufs umzäunte Gelände. Dabei ist der vergleichsweise schmächtige 15-Jährige der Lieblingsschüler des hoffnungslos überforderten Lehrers Sonnabend (Leon Ullrich), der ihm als Einziger der Neuntklässler „Gymnasial-Niveau“ bescheinigt.
Was Lukas‘ verwitweter, alleinerziehender Vater Matthias (Jörg Hartmann), stolz machen würde. Der sich als Hausmeister an der Humboldt-Universität mit 800 Euro netto mehr schlecht als recht durchschlägt. Und sich zudem große Sorgen um seinen Ältesten machen muss: Marco (der Hiphop-Star Luvre47) zockt, hat Schulden und dealt. Lukas nimmt sich den Vormittag frei, holt seine notorischen Schulschwänzer-Freunde Gino (Rafael Luis Klein-Heßling) und Julius (Vincent Wiemer) aus den völlig versifften Wohntürmen ab, um in einem Park mit den letzten Münzen ein Tütchen Gras zu kaufen.
Dabei geraten sie aus völlig nichtigem Grund in eine handfeste Auseinandersetzung mit der von Djamel (Wael Alkhatib) angeführten arabischen Dealerbande, die in Dauerfehde mit ihren türkischen Kumpels um Cem (der YouTube-Star Lucio101) liegt. Lukas kann sich zwar in die nächste U-Bahn retten, wird dort aber vom vor der Polizei geflüchteten Hamudi (Derman Eker) erkannt und um 500 Euro Schutzgeld erpresst. Woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Der neue, aus Marzahn nach Neuköllln gezogene Klassenkamerad Sanchez (Aaron Maldonado-Morales) hat eine Idee: 50 nagelneue Computer mit Flachbildschirmen hat ein Vertreter des Berliner Senators für Bildung, Reuter (Roland Wolf), kürzlich persönlich der Schule übergeben. Die lagern jetzt irgendwo und warten förmlich darauf, auf dem Schwarzmarkt vertickt zu werden. Der Bruch gelingt und das Quartett ist plötzlich aller Geldsorgen ledig.

Party machen ist angesagt, neue Klamotten führen zu erstaunten bis neidischen Blicken der Mitschüler. Endlich ist auch Geld fürs Freibad vorhanden, doch Denise (Elisabeth Albin), die Flamme von Julius, mit der dieser bisher nur am Zaun knutschen konnte, geht jetzt mit Marco. Der keine Skrupel hat, seinen kleinen Bruder in der Computer-Causa richtig abzuzocken. Und auch sonst geht einiges schief, weil Djamal, Hamudi & Co keine Ruhe geben. Und weil sich Gino endlich gegen den verkommenen Erzeuger, der im Suff seine italienische Mutter schlägt, wehrt – mit schmerzhaften Folgen.
Nach zwei bisweilen kaum erträglichen, unter die Haut gehenden Stunden hängt das Quartett wieder über den Dächern der Gropiusstadt ab. Für Lukas und Sanchez öffnet sich immerhin ein schmales Fenster für eine bessere Zukunft: sie wollen Abitur machen…
„Es war alles genauso. Vielleicht aber auch nicht“: Die kompromisslose Verfilmung des 2017 erschienenen Bestsellers „Sonne und Beton“ von Comedian und „Gemischtes Hack“- Podcaster Felix Lobrecht stammt von David Wnendt. Der gebürtige Gelsenkirchener des Jahrgangs 1977 hat nach „Kriegerin“ und „Er ist wieder da“ erneut sein Gespür für die Umsetzung von brisanten gesellschaftlichen Themen bewiesen. Zusammen mit Kamerafrau Jieun Ji, aus Südkorea stammende Babelsberg-Absolventin, zeichnet er ein eindrückliches Bild der Gropiusstadt im Berliner Problembezirk Neukölln als Brennpunkt sozialer Ungerechtigkeit – ganz aus der Sichtweise perspektivloser Fünfzehnjähriger.
Für die Hauptrollen wurde bundesweit gecastet, über 5000 Jugendliche hatten sich selbst beworben oder wurden von Streetcastern angesprochen. Das 15-jährige Protagonisten-Quartett, darunter mit dem Neuköllner Levy Rico Arcos und dem Kreuzberger Aaron Maldonado-Morales zwei Berliner, gibt in „Sonne und Beton“ ein eindrückliches Kinodebüt. Ergänzt wird der Cast von Musikern und Hiphop-Stars wie Juju, Olexesh, NNOC, Azzi Memo, Klapse Mane und AOB.
David Wnendt im Constantin-Presseheft: „Ich war bei mehreren Lesungen an Schulen. Selbst Schüler, die sonst kein Buch in die Hand nehmen, haben ‚Sonne und Beton‘ verschlungen. Einer der jungen Rapper beim Casting meinte, er lese keine Bücher. Die einzigen Ausnahmen seien ‚Die Raupe Nimmersatt‘ und ein Buch, das ihm von Wärtern im Jugendarrest zugesteckt wurde: ‚Sonne und Beton‘“. Nach der Uraufführung am 18. Februar 2023 in der Special-Sektion der 73. Berlinale ist die sehr gelungene Adaption des autobiographischen Romandebüts von Felix Lobrecht, der am Drehbuch mitgeschrieben hat, am 2. März 2023 in den Kinos gestartet und wird auch in der Filmwelt Herne gezeigt