
Deutsch-britisches Heldenepos im Brexit-Zeiten
Versöhnung im Kino: Trautmann
Bernd Trautmann (David Kross), Bremer des Jahrgangs 1923, wo er auch die Liebe zum Fußball entdeckt, wird mit 17 Jahren in die Wehrmacht eingezogen. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges gerät er im Reichswald bei Kleve in britische Kriegsgefangenschaft und wird in St. Helens unweit von Manchester interniert. Der mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnete Fallschirmjäger gerät ins Blickfeld des Sergeanten Smythe (Harry Melling), der den jungen Soldaten bezichtigt, aufgrund seiner Kriegsauszeichnung ein Nazi zu sein. Bernd muss Latrinen reinigen und sieht sich auch sonst großen Schikanen und noch größerem Misstrauen ausgesetzt.

Bei einem Fußballspiel unter deutschen Soldaten werden Jack Friar (John Henshaw), der das Lager mit Lebensmitteln versorgt, und seine Tochter Margaret (erste Hauptrolle für die britische Newcomerin Freya Mavor) auf Bernds Talent als Torwart aufmerksam. Der Coach des gerade stark unter Druck stehenden Provinzclubs St. Helens engagiert ihn für seinen Verein – als „Bert aus Bradfield“. Doch Bernd verleugnet seine deutsche Herkunft nicht, was ihm sogleich offene Feindschaft einbringt: ein „Kraut“ im Tor geht gar nicht. Meint auch Jacks Gattin Clarice (Dervla Kirwan), der nicht entgangen ist, dass ihre seit geraumer Zeit verlobte Tochter mit dem Kriegsfeind flirtet.
Der nun sogar, um leichter am Training teilnehmen zu können, vom Umerziehungsprogramm des Lagers befreit und im Friarschen Laden beschäftigt wird – an der Seite Margarets und deren sogleich eifersüchtigen Freundin Betsy (Chloe Harris). Als das Lager aufgelöst wird und die Gefangenen nach Deutschland zurückkehren, bleibt Bernd, der nun allgemein wertschätzend „Bert“ genannt wird, noch eine Weile - bis zum entscheidenden Relegationsspiel, das er mit Glanzparaden für St. Helens entscheidet. Als Zaungast der Partie zeigt sich Jock Thomson (Gary Lewis), Manager und Trainer von Manchester City, beeindruckt. Und der Deutsche, der als Kriegsfeind zur Elf Jack Friars kam, verlässt sie als Freund.
Doch noch liegen die Gräuel der Nationalsozialisten, in den englischen Kinos werden Dokumentaraufnahmen aus befreiten Konzentrationslagern gezeigt, die den unterhaltungsdurstigen Besuchern den Magen umdrehen, und des Krieges zu nah an der Gegenwart: „Gegen die Tränen der Hinterbliebenen kommst du nicht an“, warnt Jack seinen potentiellen Schwiegersohn, „und Margaret müsste das mittragen.“
Auch als unverheiratete Freundin trägt sie Berts Probleme mit, als er im Oktober 1949 bei ManCity unterschreibt und ihm auf der ersten Pressekonferenz blanker Hass entgegenschlägt, der sich in heutiger Begrifflichkeit zum Shitstorm auswächst: ein mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichneter Nazi soll das Tor des britischen Traditionsvereins hüten? „Es ist leichter zu hassen als zu vergeben“: Zusammen mit Rabbi Altmann (Butz Buse), dem Vorsteher der jüdischen Gemeinde, gelingt es Margaret, mit einem Offenen Brief die Stimmungslage zu beruhigen – den Rest erledigt ein zuverlässiger Bert Trautmann zwischen den Pfosten. Der Margaret inzwischen geheiratet hat, 1951 kommt der erste Sohn zur Welt. Und fünf Jahre später ist der „Kraut“ endgültig auf der Insel angekommen: beim FA-Cup-Finale gegen Birmingham vor der Queen und 100.000 Fans im Londoner Wembleystadion rettet er ManCity den Sieg – trotz Genickbruchs zwanzig Minuten vor dem Abpfiff. Nur eine einzige falsche Bewegung hätte seinen Tod bedeutet.
Doch Bert kann den Triumph nicht lange auskosten: Er verliert seinen Erstgeborenen John (Tobias Masterson) bei einem Autounfall. Zu dessen Beerdigung erscheint auch Sergeant Smythe, der seine Frau und beide Kinder bei einem Bombenangriff der Deutschen verloren hat: der einstige Schleifer im Lager St. Helens bringt den am Boden zerstörten Trautmann dazu, wieder seine Torwarthandschuhe anzuziehen – den Menschen zuliebe, die ihn als deutschen Kriegsgefangenen aufgenommen haben…
Marcus H. Rosenmüller setzt der deutschen Torhüter-Legende „Traut the Kraut“ ein beeindruckendes, am Ende bewegendes Denkmal. Der zweistündige Film ist aber nicht nur ein faszinierendes Biopic über einen phänomenalen Fußballer, dessen Schicksal in der deutschen Heimat so gut wie unbekannt ist, er erzählt auch eine zu Herzen gehende Nachkriegs-Liebesgeschichte zwischen dem Deutschen Bert und der Engländerin Margaret. Ihre allen Vorurteilen der nächsten Umgebung trotzende tiefe, bedingungslose Liebe zueinander steht gerade in diesen unseren Brexit-Zeiten für Versöhnung und Völkerverständigung, für Verzeihen und das Überwinden von Grenzen und Vorurteilen.
Der wahre Bert Trautmann konnte sein Leinwand-Alter-Ego David Kross („Der Vorleser“, „Krabat“, „Ballon“) leider nicht mehr erleben: Er starb im Alter von 89 Jahren 2013 im spanischen La Llosa an einem Herzinfarkt. Marcus H. Rosenmüllers erster in englischer Sprache gedrehter Spielfilm ist hochkarätig besetzt, allen voran mit der schottischen Nachwuchsschauspielerin Freya Mavor („Vom Ende einer Geschichte“). Für die Nebenrollen konnten gestandene britische Darsteller wie John Henshaw („Angel's Share – Ein Schluck für die Engel“) oder Gary Lewis („Billy Elliot – I Will Dance“) gewonnen werden.
„Trautmann“ wurde am 1. Oktober 2018 beim Zürich Film Festival uraufgeführt und zwei Tage später als Deutsche Erstaufführung beim Filmfest Hamburg gezeigt. Bereits zuvor am 20. September 2018 erhielt er bei der Filmkunstmesse Leipzig den Gilde-Filmpreis (Preis der Jugendfilmjury). Anfang 2019 kam noch der Bayerische Filmpreis in der Kategorie „Beste Produktion“ hinzu, während „Trautmann“ außer Konkurrenz auf der 69. Berlinale lief. Der packend inszenierte Film ist bundesweit am 14. März 2019 gestartet und wird hierzulande im Union und Capitol Bochum, im Astra Essen sowie im Cinestar Dortmund gezeigt.