
Verwaltung um Kämmerer Klee fordert Geld von Land und Bund
Viele Haushaltsmillionen fehlen: Herne funkt SOS
Die Stadt Herne fordert mit aller Dringlichkeit deutliche finanzielle Unterstützung vom Bund sowie vom Land NRW. Sonst sieht sie ihre Daseinsvorsorge im Hinblick auf Integration, Kitas, Schulen und weiterer kommunaler Aufgaben gefährdet, Herne könnte sogar „handlungsunfähig“ werden. Das machten am Montag (17.7.2023) Kämmerer Dr. Hans Werner Klee, Sozialdezernentin Stephanie Jordan und Bildungsdezernent Andreas Merkendorf im Rathaus klar.
Insbesondere die sogenannte Isolierung der Belastungen, die durch den Krieg in der Ukraine entstehen, die als Bilanzierungshilfe dient und bereits bei den finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie zur Anwendung kam (die Kosten müssen erst ab 2025 im Haushalt verbucht werden und können über 50 Jahre abgeschrieben werden), soll fortgeführt werden. Die NRW-Landesregierung hatte hier das Ende für das Jahresende 2023 beschlossen.
Lösung für Altschulden fehlt weiterhin
Ebenso sei ein Durchbruch bei der schon lange und häufig diskutierten Altschuldenlösung (halloherne berichtete) notwendig, so Klee beim Pressegespräch. Hiermit wäre eine notwendige Entlastung möglich, gleichzeitig würde der Kreditspielraum bei Banken erhöht sowie die dortige Verschuldung reduziert.

„Nach aktuellem Planungsstand müssen wir im Herner Haushalt in den Jahren 2024 bis 2027 pro Jahr ein Ergebnis von 60 bis 80 Millionen Euro minus verzeichnen“, rechnet Klee vor, um direkt Beispiele steigender Aufwendungen zu nennen: „Personalaufwand, Energiekosten, Zinsen, IT-Infrastruktur und Sozialaufwendungen.“ Und das seien nicht einmal alle, beispielsweise Grundsicherung und Leistungen für Asylbewerber kämen noch hinzu.
Um dieses jährliche Minus auszugleichen, helfen nicht einmal mögliche Steuererhöhungen, von denen Klee auch nur die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer anheben könnte - was er auch gar nicht möchte. „Man sollte niemals nie sagen, aber eine weitere Belastung ist nur schwer zu argumentieren. Dazu kommt: Erhöhungen helfen gar nicht, um die benötigte Größenordnung zu erreichen.“
Kein Einsparen von Kosten mehr möglich
Kosteneinsparungen sowie Ertragssteigerungen seien einfach ausgeschöpft. Das treffe nicht nur auf Herne zu, sondern auch auf viele andere Kommunen. Dementsprechend müssen nach Ansicht von Klee hier Bund und Land aktiv werden.
Doch das sei nicht mal das alleinige Problem, klagt Klee. Ein immenser Kostentreiber sei die Migrationssituation geworden. Diese würde naturgemäß in allen Bereichen der Daseinsvorsorge enorme Herausforderungen darstellen.
Konkrete Beispiele für Kita und Co.
Um die Forderungen aber nicht in den luftleeren Raum zu stellen, sondern gleichzeitig konkrete Beispiele zu nennen, zählt Klee die Bereiche Kita, Schule und Lebensunterhalt auf. Mit Zahlen von Menschen, die unter anderem aus Syrien, Afghanistan, der Ukraine oder dem Iran kommen und deren Kinder bis zum Alter von sechs Jahren in die Kita müssen, kommen rund 13,3 Millionen Euro Mehrkosten zustande, da bei (Stand Dezember 2022) 1.900 Kindern aus diesen Ländern und der Altersgruppe aufgrund von notwendigen Kitaplätzen 7.000 Euro pro Kind anfallen würden.
Bei den Schulen sind es aufgrund von erhöhtem Raumbedarf, neuen Gebäuden, renovierten Gebäuden und weiteren Gründen weitere rund 17 Millionen Euro pro Jahr. Darin sind die Bewirtschaftung sowie die Kosten für die Digitalisierung noch nicht mal enthalten.

Da auch nicht alle Flüchtlinge sofort arbeiten können oder wollen, fallen viele in den Bezug von Arbeitslosengeld (SGBII). Da hier von rund 21 Millionen Euro durch den Bund 62 Prozent (rund zwölf Millionen Euro) erstattet werden, bleiben dennoch rund 8,5 Millionen Euro über, die die Kommune finanzieren muss. „Wenn wir gute Integration wollen, brauchen wir dieses Geld“, macht Klee deutlich.
Investitionssumme: 'Eine Milliarde Euro in 15 Jahren'
Obendrauf kommen hier noch sämtliche Investitionsbedarfe an städtischen Gebäuden wie Schulen und Kitas. An 13 Schulstandorten sollen in den nächsten zehn Jahren OGS-Raumkapazitäten geschaffen werden, hinzu kommen Großprojekte wie die Herner Feuerwachen. Klee rechnet zusammen: „Alles zusammen macht deutlich, dass Herne in den nächsten 15 Jahren über eine Milliarde Euro in seinen Gebäudebestand investieren müsste, um alle gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen."
Zahlreiche Forderungen hat er zusammengefasst, das Papier schickt er an einen parlamentarischen Generalsekretär, ebenso erhalten alle kommunalen Fraktionen diese Rechnungen mit Beispielen. „Es ist natürlich nicht neu. Dennoch möchte ich hier mit Beispielen auf die Situation aufmerksam machen“, appelliert der Stadtdirektor, der auch auf Unterstützung aus anderen, ähnlich betroffenen Kommunen, hofft. „Es ist alles wichtig und notwendig, kein 'Just for fun.'“ Klee sieht eine Neujustierung der Schulträger-Finanzierung als ein Muss an.
Fachkräftemangel und höhere Tarifverträge
Dieser Auffassung schließen sich auch Andreas Merkendorf und Stephanie Jordan an. „Fachkräftemangel, steigende Löhne durch Tarifverträge, bessere frühkindliche Versorgung: All das sind herausfordernde Situation, die kluge Lösungen erfordern“, sagt Jordan.

Bildungsdezernent Andreas Merkendorf ergänzt: „Als Kommune müssen wir nun SOS funken. Das Problem ist schon länger vorhanden, die Lösung war aber noch nie so anspruchsvoll, wie jetzt.“ Die Situation in den Schulen, egal ob Grundschule oder weiterführend, sei mit eigentlich zu großen Klassen schon prekär. Zwischen 27 und 30 Kindern sitzen in jeder Klasse. Aufgrund von Handicaps wie mangelnder Sprachkenntnisse könne man schon schlechtere Bildungserfolge in der Zukunft erwarten.
Die Diskussion ist 'ernst'
Gleichzeitig sei die Situation mit Containern auf Schulhöfen eine Notlösung, die aber viel Geld kostet, dazu Platz zum Spielen wegnimmt. Mittelfristig seien neue Gebäude notwendig, mögliche Grundstücke in Herne aber auch begrenzt. Die Diskussion sei „ernst“, so Merkendorf.
Selbst eine erneute Verlagerung bzw. Verschiebung der finanziellen Probleme um einige Jahre sieht Klee nicht als Lösung an. „Die wichtigsten Rohstoffe in Deutschland sind Wissen und Bildung. Darauf müssen wir aufbauen“, meint Klee. Kollege Merkendorf ergänzt: „Der soziale Zusammenhalt ist ebenfalls wichtig.“ Allein: Das garantiert vor Ort keine notwendige Finanzspritze - dazu müssen es hier schon ganze Pakete voller Spritzen sein.