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Bei der Vorstellung des 8. Paritätischen Filmfestes: (v.li.) OB Dr. Frank Dudda, Kristin Pfotenhauer (Chefin Jugend-, Konflikt- und Drogenberatung Herne), Ironman-Weltrekordler und Autor Andreas Niedrig, Frank Köhler und Susanne Schübel (beide Vorstand Der Paritätische Herne).

Vier Filme zeigen beim Paritätischen Filmfest 'Gesichter der Sucht'

Vom Heroin-Junkie zum Ironman

Das bereits achte Paritätische Filmfest steht an und hat im November 2023 das Schwerpunktthema „Gesichter der Sucht“. Passend dazu werden bei kostenlosem Eintritt an vier Sonntagen jeweils um 12:30 Uhr vier verschiedene Filme in der Filmwelt Herne gezeigt. Einer davon trägt den Titel „Lauf um dein Leben - vom Junkie zum Ironman“ und zeigt die Geschichte von Triathlet Andreas Niedrig aus Oer-Erkenschwick.

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Er wird auch zum Auftakt am Sonntag, 5. November 2023, dabei sein und im Anschluss als Themenbotschafter für Fragen zur Verfügung stehen. Die werden sicherlich aufkommen, aber das ist er als „Willensschaffer“ sowie Moderator und Motivator gewohnt. Beinahe täglich würden Anfragen zu Besuchen in Schulen, Gefängnissen oder Therapiestunden ins Postfach flattern, schildert Niedrig - nun sind auch Herner Schulen explizit eingeladen und aufgerufen, teilzunehmen. Der heute 56-Jährige gehörte im Jahr 2000 zur Top Ten der Triathleten weltweit. Seine sportlichen Erfolge machten aber die Presse neugierig.

Mit dem Kinderwagen zur Drogenszene

Als der Druck zu groß wurde, veröffentlichte er selbst seine Lebensgeschichte. „Ich war abhängig von Heroin, als meine Tochter ein Jahr alt war - das war um 1988 rum. Ich bin mit dem Kinderwagen in der Dortmunder Drogenszene unterwegs gewesen“, blickt er zurück.

Seine damals 13-jährige Tochter merkt kurz nach der Jahrtausendwende, dass ihn etwas bedrückt. Schließlich überwindet Niedrig sich nach einigem Zögern, seiner Tochter unter Scham von seiner Geschichte zu erzählen. Die reagiert aber locker und sagt: „Ist doch alles okay, wenn du die Therapie überstanden hast. Aber du bist hoffentlich nicht tätowiert?“. Das war er nicht.

Das Buch „Vom Junkie zum Ironman“ von Andreas Niedrig. Die Verfilmung wird am Sonntag, 5. November 2023, um 12:30 Uhr zum Auftakt des Filmfestes in der Filmwelt Herne gezeigt. Er ist selbst vor Ort

Kurz darauf soll er einen Vortrag in der Schulklasse der Tochter halten. Die Lehrerin ist anschließend begeistert, wie die Jugendlichen darauf reagieren. Nur wenige Tage später ruft die nächste Schule an - der Anfang des „Präventionsmitarbeiters“. Mittlerweile füllt er Hallen mit bis zu 3.000 bis 4.000 Jugendlichen.

Schüler interessieren sich mehr dafür als Manager

„Ich erzähle lieber den Jugendlichen oder auch Gefängnisinsassen etwas von meinem Weg aus der Sucht, weil die sich dafür interessieren und noch etwas mitnehmen können. Bei Managern von Firmen kommt das Thema kaum an“, erläutert der ehemalige Extremsportler. Seine Erfahrungen gibt er immer noch an 20 bis 30 Leute einmal wöchentlich per WhatsApp-Sprechstunde weiter, auch wenn er sich nicht als Therapeut sieht. „Wir müssen jedoch viel mehr in Präventionsprojekte stecken und schon an der Basis, den Eltern, anfangen.“

Zum Sport kam er erst fünf Jahre nach seiner Therapie. „Der Sport wurde meine Berufung und wird immer mein Wegbegleiter sein“, betont der Oer-Erkenschwicker. Weil auch schon einige durch sein Buch und seine Erzählungen erfolgreich den Absprung aus einer Sucht geschafft hätten, sehen es manche bereits als „Bibel“ an.

'Müssen mehr dagegen tun'

Diese kann in der Realität helfen, denn die ist bekanntlich hart, weiß auch Kristin Pfotenhauer von der Jugend-, Konflikt- und Drogenberatung in Herne. „Cannabis gibt es wohl bald an jeder Ecke, dazu sind Ecstasy-Tabletten im Umlauf, auf manchen Schulhöfen wird gedealt“, berichtet Pfotenhauer, die von einer seit 2020 leicht gestiegenen Anzahl an jährlichen Drogentoten spricht. „Wir müssen dagegen mehr tun. Wenn wir an zwei, drei Tagen in Schulen sind, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Die Filmwelt Herne: Hier werden die vier Streifen vom Paritätischen Filmfest gezeigt.

Das sieht OB Dr. Frank Dudda genauso. „Wir bekommen heute viele Fälle von Belastungsmomenten viel schneller mit. Furcht und Verunsicherung durch Kriege kann auch Sucht auslösen“, erläutert Dudda, der erneut Schirmherr des Filmfest ist. „Es ist wichtig, dass wir das bekämpfen.“ Egal, ob es sich um Alkohol, Schmerzmittel oder Drogen handelt.

Hilfe für Betroffene auf mehreren Wegen

Ebenso wichtig sei, wenn jemand aus der richtigen Bahn geraten sei, ihm wieder auf die Beine zu helfen und ihn zu unterstützen. Daran setzen unter anderem die Herner Brücke, 16 Netzwerkpartner als auch der Sozialpsychiatrische Dienst der Stadt an. Elf Mitarbeiter gibt es dort mittlerweile.

„Sucht ist ein komplexes Thema“, findet auch Frank Köhler. Geschäftsführer der Gesellschaft für freie Sozialarbeit (GfS). „Sie hat auch bei jedem eine Funktion, die nicht unbedingt nur negativ sein muss. Wichtig ist, wenn man damit aufhört, muss man diese Lücke füllen.“ Das Beispiel Andreas Niedrig ist für ein positives und bewegendes Beispiel.

Die weiteren Filme

Köhler hat auch die anderen Filme, die gezeigt werden, ausgewählt. In „Sucht - vier Menschen in Berlin“ werden in der Hauptstadt auf der Straße lebende Personen begleitet (Sonntag, 12. November). Beim Film „Aus Haut und Knochen“ wird das Thema Magersucht aufgegriffen (Sonntag, 19. November). Köhler: „Hier wird gezeigt, wie damit in Familien umgegangen wird. Oft wird das Thema verleugnet, verharmlost oder es wird gelogen.“

Den Abschluss bietet der Film „Der Rausch“ aus Dänemark (Sonntag, 26. November 2023). Dort werden vier Lehrer gezeigt, die sich in ihrer Midlife-Crisis befinden und gerne mal „einen heben“. Sie starten gemeinsam ein Trinkexperiment, um wieder motiviert vor ihre Schüler treten zu können.

halloherne berichtet hier ausführlicher über die weiteren Filme des Paritätischen Filmfestes 'Gesichter einer Sucht'.

Infos zu den Veranstaltungstagen

Gezeigt werden die Filme in der Filmwelt Herne, der über Andreas Niedrig im großen Saal. Eine Anmeldung ist nicht notwendig, die Anzahl der Plätze ist allerdings begrenzt. Rechtzeitiges Erscheinen wird empfohlen. Wer sich trotzdem anmelden möchte, kann dies per Mail tun: . Weitere Infos beim Paritätischen Verband Herne unter Tel 02323 4778317 (montags bis freitags, 9 bis 13 Uhr) und unter www.herne.paritaet-nrw.org.

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  • Sonntag, 5. November 2023, um 12:30 Uhr
Donnerstag, 19. Oktober 2023 | Autor: Marcel Gruteser
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