Intensivierung der Suche und viele offene Fagen
Wo ist die Monokelkobra?
Die Suche nach der aus einem Terrarium entwichenen Kobra in Sodingen wird unvermindert fortgesetzt. In einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag (28.8.2019) hat die Stadtverwaltung über die aktuellen Ergebnisse der Suche und die weiteren Maßnahmen informiert. Seit Sonntagnachmittag wird das potentiell hochgiftige Reptil aus dem Besitz eines privaten Schlangenhalters vermisst. Eine Bewohnerin des Mehrfamilienhauses an der Bruchstraße rief die Feuerwehr und meldete eine im Hausflur entdeckte Schlange.
Eingangs betonte Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda, dass die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger an erster Stelle stehe: „Seit Sonntag arbeiten wir mit Nachdruck daran, die Schlange zu finden. Wir sammeln Erkenntnisse und agieren mit Bedacht. Niemand darf dabei zu Schaden kommen.“ Dabei sei es ihm auch bewusst, dass die Einschränkungen für die Anwohner groß sind: „Dank an die Bevölkerung, die uns viel Rückhalt gegeben hat.“
Angesichts der bestehenden gesetzlichen Grundlage äußerte Dudda sein Unverständnis über die fehlende Kontrollmöglichkeit der Behörden bei der Haltung von giftigen Tieren in privater Hand und fragte: .„Wie kann es sein, dass es in Deutschland oder NRW schwieriger ist, einen Hund anzumelden, als eine giftige Schlange in seinem Haus zu halten." Am Vormittag hat er dazu mit der zuständigen NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser telefoniert und auf die Problematik hingewiesen. Er sieht die bestehende Regelungslücke als eine Zumutung für alle Betroffenen. Und weiter: „Dieser Gefahrenzustand ist ein Unding und nicht mehr akzeptabel. Egal wo so ein Fall in unserem Land auftritt."
Nach Aussage von Stadtrat Dr. Johannes Chudziak ist aufgrund der vorgefundenen Situation davon auszugehen, daß sich die Schlange nicht aus dem Gebäude entfernt hat. Am Nachmittag waren Reptilienexperten der Berufsfeuerwehr Düsseldorf vor Ort, um die Herner Kollegen bei der Suche im Keller des Hauses zu unterstützen.
Zuletzt hatten Ordnungsbehörde und Veterinäramt am 13. Juni die Schlangenhaltung vor Ort kontrolliert, da die fünf Kobras dem Washingtoner Artenschutzabkommen unterliegen. Insgesamt 13 Schlangen hatte der Besitzer damals angegeben, die tatsächliche Zahl lag allerdings bedeutend höher, so Johannes Chudziak. Trotz einer erneuten Auflistung des Besitzers kann nicht gesagt werden, ob alle Schlangen da sind oder nicht. Seine Zustimmung zur Überprüfung der Haltungsbedingungen erfolgte freiwillig, eine gesetzliche Grundlage zur Kontrolle besteht nicht. Bis auf den Tierschutz bestünden keine weiteren Eingriffsmöglichkeiten, sagte der Ordnungsdezernent. Auch er betonte, dass aus seiner Sicht ein dringender Bedarf zur gesetzlichen Regelung besteht.
Die vier betroffenen Gebäude bleiben weiterhin verschlossen und werden regelmäßig auf Spuren der Schlange kontrolliert. Dazu wurde im Gebäude Mehl auf dem Boden verteilt und Klebefallen angebracht. Die Bewohner kamen vorübergehend bei Freunden und Verwandten unter, zwei Bewohner wurden in einer städtischen Notunterkunft untergebracht. Um Kleidung und persönliche Gegenstände mitzunehmen, können sie unter Aufsicht und für kurze Zeit seit dem Mittag wieder in ihre Wohnungen.
Bereits am Montag wurde dem Wohnungsmieter und Schlangenhalter seitens der Ordnungsbehörde die Tierhaltung bis auf Weiteres untersagt. Er hat am Dienstag seine 22 Schlangen zur Sicherstellung freiwillig herausgegeben. Nur zwei davon sind ungiftig. Sie wurden alle von den drei Düsseldorfer Feuerwehrleuten, die über die nötige Sachkenntnis verfügen, in Verwahrung genommen.
Die Feuerwehr ist, so deren stellvertrender Leiter Marco Diesing, seit Sonntagnachmittag 17 Uhr in einem langwierigen und fordernden Einsatz. Nicht so sehr vor Ort, wie er betont, aber im Hintergrund. Denn es galt zunächst, sich einen Überblick über die angetroffenen Schlangen zu verschaffen und deren jeweilige Art zu bestimmen. Die Schlangenexperten aus Düsseldorf tragen mit ihrer Sachkenntnis wesentlich dazu bei. Für den Notfall ist die Feuerwehr gerüstet: vor Ort steht permanent ein Rettungswagen und ein Notarzt parat. Bei einem Biss der Kobra kann im Extremfall, etwa bei einem allergischen Schock, innerhalb weniger Minuten der Tod eintreten, meist jedoch nach circa 17 bis 24 Stunden durch Atemlähmung. Ebenfalls kann der Tod innerhalb von 3 Tagen auch durch Herzkammerflimmern verursacht werden. Die Suche nach dem notwendigen Gegengift war zunächst nicht leicht. Es erfolgten Anrufe nach Österreich und in die Schweiz und sogar bis nach Weißrussland. Das geeignete Antiserum ist inzwischen in der Uniklinik in Düsseldorf vorhanden, wo es unter speziellen Bedingungen gelagert wird und von dort aus schnellstmöglich nach Herne gebracht werden kann. Derzeit werden die Kellerräume - alle vier Häuser sind untereinander verbunden - nacheinander untersucht, was aufgrund der Enge und der nötigen Vorsicht sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und nicht ungefährlich ist.
Führt die Suche nach der Giftschlange nicht zum Erfolg, laufen bereits die Planungen für eine radikale Lösung. Ein externer Experte erarbeitet bereits die mögliche Umsetzung, das betroffenen Haus unter Folie einzupacken, um dann anschließend für 24 Stunden ein tödliches Gas in alle Räume einzuleiten. Danach sei die Schlange definitiv unschädlich gemacht, so Johannes Chudziak. Alleine diese Maßnahme würde aufgrund der komplexen Vorbereitungen, unter anderem für eine biologisches Gutachten und eine Dichheitsprüfung, etwa 14 Tage Zeit in Anspruch nehmen.
Die bisherige Suche durch Feuerwehr und Schlangenexperten ist nicht nur zeit- sondern auch personalintensiv. Eine Gesamtübersicht über die Kosten und wer letztlich dafür gerade stehen wird, gibt es noch nicht, sagte Eduard Belker, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Öffentliche Ordnung: „Diese Aufstellung wird erst nach Abschluss der Maßnahmen von uns durchgeführt. Wir befinden uns derzeit in der operativen Phase und konzentrieren uns auf die Suche nach der Giftschlange“. Ebenso offen ist die Frage, ob der Schlangenhalter mit dem Verkauf der Tiere seinen Lebensunterhalt bestreitet. Aufzeichnungen und Nachweise über den Handel seien bei ihm nicht vorhanden. So sind von den im Juni gemeldeten fünf Monokelkobras nur noch drei Exemplare vorhanden. Ob er zukünftig Schlangen halten darf, will der Rechtsdezernent verhindern: „Wir werden ihm das mit aller Macht untersagen, soweit wir rechtlich dazu in der Lage sind".
Die Bevölkerung im Umfeld bleibt, so Johannes Chudziak, zu erhöhter Aufmerksamkeit und Vorsicht aufgerufen. Türen und Fenster sollten geschlossen bleiben. Es wird geraten, möglichst auf befestigten Wegen zu bleiben und hohes Gras oder dichten Bewuchs zu meiden. Lärm und Erschütterungen sollen abschreckend auf die Schlange wirken. Sollte das Reptil entdeckt werden, ist Abstand zu halten und umgehend der Notruf 110 oder 112 zu verständigen.
Das die Herner Schlangensuche inzwischen weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung findet, zeigt ein Artikel der New York Times vom vergangenen Dienstag "Flour Trail and Evacuations: German City Seeks Escaped Cobra."